Ein richtig spannendes Projekt! Es sollte eine globale Lösung für eine standardisierte Arbeitszeiterfassung installiert werden und ziemlich zeitgleich ein Outsourcing in einen Shared Service Center.
Was bei derlei internationalen Projekten besonders interessant und auch zu beachten ist, erzähle ich hier. Eines meiner letzten Mandate beschäftigte sich (wieder einmal 😄) mit der Einführung einer Software für Zeitwirtschaft, die global genutzt wurde und nun auch für Österreich „fit“ gemacht werden sollte (das war neu 👍) – ich blicke auf eine sehr lehrreiche und auch intensive Zeit zurück.
Hier die wichtigsten Erkenntnisse aus diesem Projekt:
Ausländischer Softwarepartner
Dem Softwarehouse war die gesetzliche Situation in Österreich unbekannt. Gerade für Länder wie Österreich, die sehr komplexe Regelungen im Zusammenhang mit Arbeitszeiten und auch Abwesenheiten haben, ist es tatsächlich eine Herausforderung, die Parameter richtig zu programmieren und zusätzlich so aufzubauen, dass zukünftige gesetzliche Anpassungen schnell umgesetzt werden können. Die gängigen österreichischen Partner haben viele Jahre Expertise auf dem Markt, da kann es für einen „jungfräulichen“ Anbieter schon eine Challenge sein. Und das war es auch.
Spannende Themen für den Softwarepartner waren:
- Alles rund um Normalarbeitszeit, Überstunden, Mehrstunden. Vor alle Mehrstunden, denn die gibt es in kaum einem anderen Land
- Auszahlungsrelevante Zulagen, gestaffelt nach SV und Lohnsteuerpflichtigkeiten, verschiedenste Saldentöpfe
- Pausen während der Arbeitszeit: wann muss sie berücksichtigt werden, wie lange, während Rufeinsätzen, gestückelte Pausen
- Schwerarbeit, Individualzulagen, Rufbereitschaften, stündliche Abrechnungen, Geringfügiges Arbeiten
- Urlaub: wann entsteht der Anspruch, Aliquotierungen, Verfall, Konsumationen, Übertragungen, Vorgriffe
- Umgang mit Krankenstand und Langzeitabwesenheiten
- Gewisse Reports wie die regulären monatlichen Zeitjournale
- Besonderheiten aus Betriebsvereinbarungen
- Technisches Abbilden von Verhalten aus gelebter Praxis
Besonders gut konnten Themen integriert werden, die überall ähnlich ablaufen, wie Schnittstellen zu anderen Systemen, Workflows, Hierarchiedarstellungen, Record retention, sowie reguläre Arbeitszeitmodelle und All-In Vereinbarungen. Auch Rückstellungen konnten gut eingebaut werden.
Plant man ein solches Projekt: Es braucht viel Zeit für Erklärungen und gute, solide Dokumentationsmöglichkeiten. Haben alle das Richtige verstanden, wird genau das programmiert, was gebraucht wird und gesetzlich korrekt ist? Wie wird dies später getestet und ggf angepasst?
Global Template: ja oder nein?
Ja. Aus meiner Perspektive macht ein Global Template absolut Sinn, wenn ein Konzern viele Länder „unter einen Hut“ bringen will. Die Zeit, um dies professionell zu erheben, ist gut investierte Zeit. Es kristallisieren sich im Vorfeld Länderthemen heraus, die später zu Showstoppern werden können. Beispielsweise benötigt ein Land keine Industriezeit, in Österreich ist das aber völlig normal, mit Echtzeit und Industriezeit zu arbeiten. Inländische Softwarehäuser haben daher sogar die Individualmöglichkeit zwischen beidem zu switschen. Dies im ohne Erhebung einzuschränken kann später zu Problemen führen und ein im Vorfeld hergestelltes Global Template kann derlei Spezialitäten perfekt sichtbar machen.
Spezialisten in allen Gebieten
Durch die Zusammenarbeit mit zahlreichen Spezialisten in ihren jeweiligen Fachgebieten war dieses Projekt eine besonders bereichernde Erfahrung. Vom Interface-Experten Team oder operativen Zeitspezialisten, technischen Zeitspezialisten über Change-Experten und Trainingsmanager bis hin zu Projektleitungen (fachlich, IT) und später auch rechtliche Begleitung: unglaublich interessant und lehrreich, wie derartige Projekte aufgesetzt sein können.
Kommunikation oder wer redet mit wem wann
Gerade die Meetingkultur ist super wichtig – nicht nur wer kann was entscheiden und wer spricht mit wem: auch wann, denn wenn du international arbeitest, dann ist die Uhrzeit immer wichtig 😄 manche Kollegen sind spät abends gefragt, wenn bei uns nach CET ein reguläres wiederkehrende Meeting um 11 Uhr vormittags läuft. Andere müssen sich möglichweise nachts um 2 oder 3 Uhr einwählen. Oft ist das gar nicht so ganz bewusst, ich finde das allerdings sehr wichtig zu erwähnen. Indonesien, Brasilien, Kanada, Japan – da braucht es auch eine gute durchorganisierte Zeitplanung.
Projektkommunikation: eine gut strukturierte Meetingplanung obliegt der Projektleitung und ist sicher nicht ohne bei Projekten dieser Größenordnung. Wichtig ist aus meiner Sicht: immer den Fachbereich mitnehmen, gerade auch in Steering Commitees und deren Meetings. Warum? In Projekten dieser Größe ist es super leicht, die Basis „zu verlieren“. Viele Menschen arbeiten mit, da möchte man oft Einsatzzeiten gering halten, schließlich gibt es ja auch noch ein daily business, dass erledigt werden will. Zeiterfassung ist aber Arbeit an der Basis, jeder Mitarbeitende im Unternehmen ist mehr oder weniger betroffen. Daher ist es wichtig nicht die Fachlichkeit zu übersehen. Hier können sehr leicht Fehlentscheidungen getroffen werden, weil die Verbindung zur Basis, zum „echten Leben“ fehlt – und das kann unter anderem später in fehlender Akzeptanz enden.
Wie immer beim Kapitel Kommunikation: lieber mehr als zu wenig, lieber ein Meeting mehr als eins zu wenig 😊. Informationsfluss von oben nach unten – genauso wie von unten nach oben, zuhören und verstehen ist wie in jedem Projekt wichtig. Dafür unbedingt Zeit einplanen. Und natürlich sind gute Tools zur Protokollierung selbstverständlich.
Internationalität
In den meisten Fällen werden derart Projekte aufgrund Governance Themen angegangen. Nachvollziehbar auf einem high level. Trotzdem würde ich immer den „act local“-Gedanken im Kopf behalten und prüfen, ob eine Software tatsächlich alle betroffenen Länder solide abdecken kann – siehe wieder die Wichtigkeit eines Global Templates.
Auch die Sprache ist nicht zu unterschätzen. Einerseits gibt es Fachbegriffe in den österreichischen Kollektivverträgen und den Gesetzestexten, die sehr schwierig oder kaum ins Englische zu übersetzen sind und daher ist wieder erhöhter Erklärungsbedarf nötig. Zeit einplanen und gut dokumentieren, Querverweise auf rechtliche Quellen schaffen!
Andererseits ist zu prüfen, ob das Team gut genug englisch spricht, um eine Zeiterfassungslösung in englisch vollumfänglich zu begleiten. Wenn dem nicht so ist, tun sich sehr viele Stolpersteine auf, die manchmal erst in weiterer Folge auffallen!
Mir persönlich hat gerade die Internationalität sehr gefallen, ich fand es sehr inspirierend ein derartiges Projekt begleiten zu dürfen. Gerade deshalb kann ich auch sagen, dass diese Vorgehensweise ein großer Zeitfresser ist und nicht zu unterschätzen. Unbedingt Zeitfenster in der Projektzeitplanung einbauen. Viel schneller und korrekter geht’s in der Muttersprache, das muss einfach bewusst sein.
Klarheit über interne Prozesse
Je klarer alle Prozesse, je einheitlicher und einfach, desto leichter ist die Umsetzung. Nix Neues, richtig? Tatsächlich ist das in vielen Unternehmen aber nicht so. Häufig, weil vieles über viele Jahre historisch gewachsen ist. Hier wäre mein erster Hebel. Denn wenn die Prozesse nicht sauber, klar und transparent sind, dann werden die „Unsauberkeiten“ in die technische Umsetzung gebaut – und das will man nicht. Lieber ein paar Wochen oder Monate aufwenden, um diese Themen aufzubrechen als später lauter Work-arounds zu haben. Und mal ehrlich? Unsaubere Prozesse bereinigt man nicht in 2 Tagen, da hängt auch die Unternehmenskultur dran. Wenn Abteilungsleiter Müller immer seine Zeitjournale nach dem 1. genehmigt hat (und nur nach wiederholter Aufforderung) – wird er das nicht plötzlich rechtzeitig am 31. tun….

Fazit: ein tolles Projekt aus dem ich sehr viel mitnehme, sehr viel gelernt habe und nicht missen möchte. Eines der wichtigsten Punkte in solch einem Setting ist aus meiner Sicht definitiv die Ressource Zeit! Und wieder einmal stelle ich fest: Österreich ist ein kleines Land – aber die gesetzliche Lage rund um Arbeitszeiterfassung ist wirklich besonders und nicht zu unterschätzen 😉