Unterschiede in der Lohnverrechnung Österreich & Deutschland
Ähnlich aber nicht gleich – so ist das auch in der Lohnverrechnung Österreich und Deutschland. Grundsätzlich haben die beiden Länder viele Gemeinsamkeiten in der Lohnverrechnung aber doch auch einiges, das ganz anders abläuft.
Ein paar der grundlegenden Unterschiede finden Sie hier, ausgiebig informiere ich Sie aber gerne in einem persönlichen Termin, remote oder auch vor Ort! Kontakt, individuelle Themen & Terminvereinbarung hier!
In diesem Artikel habe ich willkürlich ein paar Themen aufgegriffen, die mir sofort ins Auge springen, wenn ich an die Unterschiede der beiden Länder denke:
I. Arbeiter, Angestellte vs Arbeitnehmer
Wir sprechen alle Deutsch – na ja, mehr oder weniger….es gibt ja viele regionale Unterschiede. Besonders aber fällt auf, dass die (amtlichen?) Begrifflichkeiten anders lauten.
Die österreichische Lohnverrechnung unterscheidet in sehr vielen rechtlichen Punkten zwischen den Arbeitnehmergruppen „Arbeiter“ und „Angestellte“ – das dürfte ein relativ altes Relikt sein. Die Unterschiede beziehen sich zum Beispiel auf unterschiedlich lange Kündigungsfristen, welche allerdings im Jahr 2021 angeglichen werden sollen. Bis 2019 gab es zwischen diesen beiden Gruppen unterschiedlich lange Fristen bei der Entgeltfortzahlung, diese hat man bereits angepasst. Nach wie vor gibt es aber zB. Unterschiede bei den Beiträgen zur Sozialversicherung.
In Deutschland gibt es diese Trennung nicht – dort heißen diese Personen alle Arbeitnehmer. Dies könnte man nun wieder mit dem Begriff des Dienstnehmers in Österreich vergleichen.
II. Lohnsteuerklassen vs Steuer nach Tarif
Dieses Thema fand ich besonders spannend! Arbeitnehmer werden aus Sicht der Steuer in eine von sechs definierten Klassen gegliedert. Hinter diesen Klassen stehen Parameter bezüglich besonderer Steuerbegünstigungen und Pauschalen oder eben auch nicht. Das ist tw. ganz von der familiären Situation abhängig. Ehepaare können zB. – wenn beide erwerbstätig sind – in Klasse 3 und 5 oder in Klasse 4 und 4 mit Faktor geschlüsselt werden. Hinter diesen Klassen liegen dann eben gewisse Freibeträge und Prozentsätze für die Lohnsteuer.
In Österreich ist das etwas moderner und individueller – hier ist jeder Arbeitnehmer für seine eigene Lohnsteuer zuständig. Soll heißen, egal, ob weiblich oder männlich, verheiratet, Single, Elternteil oder nicht: grundsätzlich fällt mal die gleiche Lohnsteuer bei der Einkommenshöhe an. Natürlich gibt es in Österreich auch Begünstigungen für Alleinerziehende oder Familien. Aber grundsätzlich ist die Höhe der Lohnsteuer für alle in der ersten Instanz gleich.
III. Unterschied zwischen ELStAM und ELDA
Das eine hat mit dem anderen gar nichts zu tun! Hinter ELStAM (Elektronische Lohnsteuer Abzugsmerkmale) in Deutschland verbirgt sich die elektronische Kommunikation zwischen Finanzamt und Arbeitgeber.
ELDA in Österreich wickelt die gesamte Kommunikation zwischen Arbeitgeber und der Österreichischen Gesundheitskasse (seit 1.1.2020 ÖGK) ab. Egal, ob An- oder Abmeldung von Dienstnehmern oder die monatliche Beitragsnachweisung (mBGM), alles wird hier elektronisch übermittelt. Das Finanzamt ist nicht involviert, obwohl es eine indirekte Verbindung zwischen finanz.online, dem WEBEKU, ELDA und der Bürgerkarte gibt.
IV. Sonderzahlungen
Ein Arbeitnehmer in Österreich bekommt pro Jahr 14 Zahlungen, nicht nur zwölf. Diese zwei zusätzlichen Gehälter oder Löhne nennen sich 13. und 14. Gehalt, respektive Urlaubsgeld und Weihnachtsremuneration. Die Auszahlungszeitpunkte und Höhen richten sich idR nach dem Kollektivvertrag, wobei das Urlaubsgeld logischerweise im Sommer anfällt, das Weihnachtsgeld im November oder Dezember. Die Höhe ist KV-abhängig, beträgt aber ungefähr ein Monatsgehalt oder einen Monatslohn.
Das besondere Schmankerl ist, dass diese beiden Zahlungen einen Freibetrag von EUR 620 Steuerfreiheit jährlich berücksichtigen, die Lohnsteuer auf den Restbetrag 6% beträgt und auch die Sozialversicherung geringer ist als bei laufenden Bezügen.
In Deutschland gibt es auch Weihnachtsgelder, auf die aber kein gesetzlicher Anspruch besteht. Die Versteuerung erfolgt wie ein „sonstiger“ Bezug, also mit Hochrechnung des Jahresbezuges und Versteuerung nach Tarif.
V. Unterschied Kollektivvertragliche Einstufung vs Tarife
Kollektivvertrag und Tarifvertrag ist eigentlich sehr ähnlich, obwohl es doch ein paar grundsätzliche Unterschiede gibt.
Die meisten Unternehmen in Österreich unterliegen einem Kollektivvertrag (KV). Dieser regelt alle möglichen Vorgaben in Bezug auf gegenseitige Rechte und Pflichten des Arbeitgebers und Arbeitnehmers. Kollektivverträge können inhaltlich sehr unterschiedlich sein, daher ist immer der KV zu Rate zu ziehen. Die Gehaltseinstufung findet sich im KV und ist somit auch als Mindesteinkommen zu sehen. Da bis auf sehr wenige Firmen alle Unternehmen einem KV unterliegen, ist auch für fast alle Arbeitnehmer eine KV-Einstufung vorhanden.
Gibt es keinen Kollektivvertrag und keine Individualvereinbarung, dann ist immer die Gesetzgebung ausschlaggebend. Dies gilt auch in Deutschland. Eine Individualvereinbarung kann in Österreich niemals schlechter als das Gesetzt vereinbart werden, in Deutschland ist dies möglich (Ausschlussklauseln zB im Bezug auf Pflegeurlaub).
In Deutschland gibt es viele Unternehmen, die einen Tarifvertrag haben, der die Rechte einer ganzen Gruppe von Arbeitnehmern regelt, aber es gibt eben auch sehr viele Firmen, die ganz bewusst keine Tarifverträge sondern Individualverträge haben (56% der Unternehmen unterliegen einem Tarifvertrag, Stand 2019).
Kollektivverträge werden idR jährlich neu verhandelt zwischen Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Tarifverträge alle zwei Jahre – basierend auf Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften.
VI. Unterschiedliche Arbeitszeitaufzeichnungen
Einer der interessantesten Unterschiede ist die Erfassung der Arbeitszeiten. In Österreich gang und gäbe, in Deutschland müssen nur die Stunden erfasst werden, die über acht Stunden pro Tag hinaus gehen. Stunden über zehn Stunden pro Tag sind nicht zulässig!
In Österreich ist es einfach Usus, dass jeder die tägliche Arbeitszeit erfasst. Es gibt ein paar Ausnahmen, wie zB Geschäftsführer oder Aussendienstmitarbeiter, aber die breite Masse erfasst Zeiten. Egal ob Teilzeit oder All-In Vertrag, egal ob auf Papier, per elektronischem Zeiterfassungstool oder auf Excel.
Allerdings wird die Einhaltung der Arbeitszeit in Österreich genauso exakt durch das Arbeitsinspektorat geprüft wie in Deutschland vom Gewerbeaufsichtsamt!
Das neue EuGH Urteil zur täglichen Erfassung der gesamten Arbeitszeit wird in Deutschland daher noch interessant in der Umsetzung werden!
VII. Lohndumping vs Mindestlohngesetz
Auch sehr spannend! In Österreich seit einigen Jahren Gesetz und Missachtung des Lohndumping-Gesetzes zieht empfindliche Strafen nach sich! Nicht nur in den klassischen Sparten wie Bau oder in der Gastronomie, sondern alle Gruppen sind betroffen. Alle Gehaltsbestandteile werden geprüft. Bei All In Verträgen findet eine jährliche Deckungsprüfung statt, um auszuschließen, dass Arbeitnehmer aufgrund überhöhter Mehrstunden unter KV bezahlt werden.
In Deutschland gibt es seit 2015 das MiLoG – Mindestlohngesetz. Für 2020 wurde ein Mindeststundenlohn von EUR 9,35 festgelegt, dieser Wert wird alle zwei Jahre angepasst. Überprüft wird die Einhaltung des Mindeststundenlohns durch die Zollbehörde. Ich habe mir sagen lassen, dass hier aber noch Prüfpotential besteht, da nicht so durchdringend geprüft wird wie in Österreich.
VIII. Kündigungsschutz / Kündigungsfristen
In Österreich gibt es verschiedene Möglichkeiten, ein Dienstverhältnis aufzulösen. Dies zieht auch verschiedene Kündigungsfristen mit sich. Ein Dienstverhältnis kann jederzeit ohne Angabe von Gründen seitens Arbeitnehmer oder Arbeitgeber aufgelöst werden, festgelegte Befristungen lösen ein Dienstverhältnis automatisch auf, es gibt Probezeiten, Vorzeitige Austritte und Entlassungen, wenn schwerwiegende Gründe vorliegen. Kündigungsschutz gibt es bei Müttern, gewissen Karenzen und bei Invaliden.
Anders augenscheinlich in Deutschland. Dort kann innerhalb der ersten sechs Monate des Dienstverhältnisses jederzeit gekündigt werden. Danach nur, wenn es verhaltensbedingte-, personenbedingte- oder betriebsbedingte Gründe gibt. Bei den ersten beiden Gründen benötigt es im Vorfeld eine Abmahnung – diese verfällt nach zwei Jahren wieder.
IX. Jahresurlaub
Der gesetzliche Anspruch liegt in Deutschland bei 20 Tagen pro Jahr. Generell werden aber mehr Tage individuell vereinbart. Der Urlaub kann auch in Stunden konsumiert werden und er verfällt nach 12 Monaten. Bei Beendigung des Dienstverhältnisses kann auch nur ein individuell vereinbarter Urlaub, der nicht konsumiert wurde, ausbezahlt werden. Der gesetzliche Urlaub wird per Urlaubsbescheinigung an den Folgearbeitgeber transferiert.
In Österreich liegt der Grundanspruch bei fünf Wochen Urlaub pro Jahr. Das sind bei einer Fünftagewoche 25 Tage. Diese verfallen erst nach drei Jahren, also könnte man 75 Tage „sammeln“. Auch in Österreich können individuell mehr Tage vereinbart werden, was aber selten vorkommt. Bei Nichtkonsumation werden bei Beendigung des Dienstverhältnisses aber alle Tage ausbezahlt, ausser es gibt eine entsprechende Vereinbarung im Vertrag. Die Tage sollten idealerweise wochenweise konsumiert werden, da ja auch der Anspruch in Wochen gerechnet wird. Das ist aber unpraktikabel und daher werden üblicherweise Tage konsumiert. Auch Halbtage sind mir schon unter gekommen, das ist aber eher die Ausnahme. Von einer Stundenkonsumation sieht man eher ab, ein Urlaub sollte dem Erholungszweck dienen und das ist bei Stunden doch eher unrealistisch. Eine Übertragung auf den Folgearbeitgeber gibt es nicht.
X. Unterschiedlichkeiten in den Fristen
Noch ein kurzes Wort zu den Fristen, wie zum Beispiel Aufbewahrungsfristen, Meldefristen, Kündigungsfristen etc.
Auch hier gibt es überraschenderweise genug Unterschiede! Zu den Kündigungsfristen habe ich ja oben schon kurz etwas geschrieben, hier gibt es massive Unterschiede!
Aufbewahrungsfristen: um für einen (ehemaligen) Dienstnehmer ein Zeugnis auszustellen, müssen die Unterlagen 30 Jahre aufbewahrt werden. So lange darf sich ein Dienstnehmer Zeit lassen und dies beim Arbeitgeber einfordern. Diese Frist liegt in Deutschland bei nur drei Jahren.
Auch interessant, weil unterschiedlich, sind die Fristen zur Anmeldung eines neuen Arbeitnehmers bei Dienstbeginn. Wo dies in Österreich im Vorfeld durch eine Aviso Meldung zu erfolgen hat (und bei Missachtung sanktioniert wird), gibt es dies nicht in Deutschland. Ausnahmen sind sogenannte Sofortmeldebranchen, wie Bau oder Gastronomie, da muss die Meldung zumindest am gleichen Tag erfolgen.
Kann ich helfen und Ihnen und Ihren Führungskräften diese und weitere Unterschiede näher bringen?
Gerne gehe ich genau auf Ihre Schwerpunkte ein und gebe Ihnen einen detaillierten Einblick in die Lohnverrechnung Österreich in Bezug auf die Unterschiede zu Deutschland – ich freue mich auf Ihren Anruf!